Interview mit
DI Johann Edegger
Ziviltechniker für Bauingenieurwesen
Head of Tiefbau und Infrastruktur
Abgesehen von den Gründern von Ingenos bist du am längsten Teil der Unternehmensbiografie. Begonnen hat es für dich im Stammbüro von Robert Zach in Ligist. Heute bist du Geschäftsführer von Ingenos, Bürochef und Teamleader in Graz. Wie war dein Weg?
1995 habe ich im Büro von Robert Zach in Ligist in der Weststeiermark als Projektbearbeiter begonnen. Zwischen 7 und 9 Beschäftigte waren damals vorwiegend im Bereich Siedlungswasserbau tätig. Es waren die goldenen Zeiten für uns. Überall wurden neue Kläranlagen gebaut, die Kanalisation erweitert, Wasserversorgungseinrichtungen errichtet. Es gab genügend Aufträge. Mit der Gründung von Ingenos im Jahr 2000 und, damit verbunden, der Einführung einer neuen Unternehmensstruktur wurde ich zum Team- und Büroleiter in Ligist. 2017 gab es die Trennung von unserem Wiener Partner und damit einen Neustart von Ingenos in der Steiermark. Damit habe ich mehr Verantwortung übernommen und bin schließlich in die Geschäftsführungsebene aufgerückt.
Robert Zach fiel es nicht leicht Ligist aufzugeben. Erfolglose Stellenausschreibungen für den Standort in der Weststeiermark haben Ingenos aber gezwungen, den Bürositz in die Universitätsstadt Graz zu verlagern. Wie geht es dir damit?
Tatsächlich wurde es immer schwieriger Mitarbeiter:innen in der Region zu finden. Von Graz aus wollte niemand nach Ligist pendeln. Daher stellte sich die Frage, ob der Standort zu halten ist. Wir haben uns schließlich entschieden, nach Graz-Raaba zu gehen. Wir liegen dort einerseits an der Autobahn und kommen damit rasch in die Bearbeitungsgebiete, andererseits sind wir für unsere Kollegen:innen mit öffentlichen Verkehrsmitteln und mit dem Fahrrad bestens erreichbar. Ich bin mit dem Ergebnis dieser Entscheidung hoch zufrieden.
Von Robert Zach hast du sowohl das Team Tiefbau und Infrastruktur als auch den organisatorischen und wirtschaftlichen Teil des Flussbauteams übernommen, inhaltlich assistiert von Michael Scharf. Ergibt sich daraus ein langsames Zusammenwachsen der Teams?
Die Aufteilung des „Tiefbaus“ in zwei Teams hat nicht nur fachlich, sondern vor allem historische Gründe. Der Siedlungswasserbau hat sich aus dem ehemaligen Büro Zach in Ligist entwickelt. Die Wurzeln des Teams Flussbau finden sich überwiegend im ursprünglichen Büro in Gleisdorf. Diese Aufteilung hat aber auch Nachteile. Die Idee von Ingenos ist es ja, den Kunden ein möglichst umfassendes Dienstleistungsangebot zu liefern. Das Wichtigste ist ein Ansprechpartner von unserer Seite als Drehscheibe im Projekt. Kunden, die einen Planungsbedarf im Siedlungswasserbau haben, sind oft dieselben, die auch Schutzwasserbauten brauchen. Damit liegt es nahe, die beiden Teams zu einem zu verschmelzen, auch wenn intern die fachlichen Schwerpunkte aufrecht erhalten bleiben. Zudem ist ein größeres Team organisatorisch leichter führbar und fördert den Wissensaustausch.
Die Tiefbauabteilung und die Hochbausparte unterscheiden sich nicht nur thematisch sondern auch in der Struktur der Auftraggeber. Projekte zum Schutz vor Hochwässern und im Bereich Siedlungswasserbau werden überwiegend von öffentlichen Stellen veranlasst. Im Hochbau liegen nichtöffentliche Kunden vorne. Wirkt sich das auf die Art der Projektbearbeitung aus?
Infrastruktur- und Schutzprojekte werden aufgrund der Aufgabenstellung naheliegender Weise überwiegend von öffentlichen Stellen beauftragt. Natürlich gibt es einige Dinge, die anders ablaufen als bei privaten Kunden. Das beginnt schon bei den Vergaberegelungen. Andererseits gibt es von Seiten der Auftraggeber wenig Einmischung auf der inhaltlichen und fachlichen Ebene. Deren Interesse liegt vorwiegend in der Wirtschaftlichkeit und zunehmend bei ökologischen Themen. Vor allem soll alles glatt und ohne große Diskussionen über die Bühne gehen.
Der große Unterschied besteht aber darin, dass unsere Projekte starke öffentliche Aufmerksamkeit erregen und sehr viele Beteiligte außerhalb des Einflussbereiches des Auftraggebers liegen. Ich denke da zum Beispiel an die erforderliche Grundinanspruchnahme oder die vielen Anrainer, die bei der Umsetzung betroffen sind. Vor allem gibt es kaum noch größere Projekte, die nicht der UVP-Pflicht unterliegen oder zumindest eine Prüfung erfordern, ob diese gegeben ist. Dann wären eine Reihe von unterschiedlichen Gutachten einzuholen, wodurch ein Projektablauf praktisch nicht planbar ist. Private Auftraggeber verzweifeln daran. Für Kunden aus dem öffentlichen Bereich ist das offensichtlich ein geringeres Problem.
Die Schwerpunkte der Bearbeitungsregionen deiner Teams befinden sich überwiegend in der Weststeiermark, Obersteiermark (Schladming!), Oberkärnten, mit gelegentlichen Ausreißern in andere Bundesländer. Gibt es Gründe, dass es kaum Aufträge aus Wien oder Niederösterreich gibt?
Das hat weniger mit Wien und Niederösterreich konkret zu tun, als damit, dass unsere öffentlichen Auftraggeber regionale Dienstleister bevorzugen. Die gute Kenntnis der örtlichen Situation bringt sicher Vorteile für die Projektbearbeitung und macht die Abläufe einfacher. Manchmal gelingen über öffentliche Ausschreibungen für größere Projekte Sprünge in andere Regionen. Ich denke hier an die Kläranlage in Schladming vor der Schi-WM in Schladming 2013, die Kläranlage in Wolkersdorf östlich von Wien oder den Hochwasserschutz-Donau-Marchfeldschutzdamm 2015 und mehrere Hochwasserschutzprojekte in Kärnten.
Wir haben aber kein Problem unser Knowhow auch in anderen Regionen einzusetzen. Das geschieht zunehmend in Kooperation mit unseren Hochbauteams im Rahmen von Generalplanungsaufträgen, zum Beispiel beim neuen Laborgebäude im AKH Wien oder dem Pharmaprojekt in Fischamend.
+/- 0,00, die Referenzebene der Architekten macht für Techniker den Unterschied zwischen Hoch- und Tiefbau. Wenigstens solange die Gebäude keine Untergeschosse oder Keller besitzen. Unverschämte Menschen behaupten, Chirurgen und Tiefbauer haben eine gemeinsame Strategie zur Bewältigung ihrer Fehler. Sie vergraben sie. Spaß bei Seite. Ingenos steht für eine interdisziplinäre, kooperative Projektbearbeitung der gestellten Bauaufgabe. Welchen Beitrag leisten deine Teams dazu?
Diese Bemerkung lasse ich wirklich nur als Spaß gelten. Unter der „Erd“ haben wir tatsächlich keinen gestalterischen Anspruch, worüber diskutiert werden könnte. Die Funktion steht im Vordergrund. Wir unterstützen aber den Hochbau in ganz vielen Bereichen, beginnend von Infrastruktureinrichtungen für Ver- und Entsorgung, Straßen samt Brückenbauwerken, Geländeveränderungen und vieles mehr. Kompetenzen wie z.B. Schutzmaßnahmen im alpinen Gelände, Hangsicherungsmaßnahmen oder Lawinenverbauungen bringen wir über, von unseren Projektleiter:innen gemanagte externe Partner, ein.
Architekten sind oft eitle Menschen. Sie bauen sich auf Kosten anderer Monumente. Was macht dich stolz auf deine Arbeit?
Was heißt stolz? Ich verstehe mich als Dienstleister und würde lieber den Begriff Zufriedenheit verwenden. Zufrieden bin ich beispielsweise, wenn wir die bestmögliche technische Lösung für eine Aufgabenstellung gefunden haben, oder einen innovativen Weg gehen. Aber auch, wenn es uns gelingt, einen reibungslosen Bauablauf wie z.B. beim Umbau einer Kläranlage bei laufendem Betrieb durchziehen zu können. Letztendlich geht es um die Zufriedenheit der Kunden, die uns wieder beauftragen werden, wenn alles reibungslos abläuft. Noch dazu, wo ein großer Anteil der Auftraggeber im Tiefbaubereich Stammkunden sind.
Welches Innovationspotenzial siehst du im Tiefbau/Flussbau?
Ein großes Thema in den nächsten Jahren wird auch für uns der weitere Ausbau der alternativen Energieproduktion. Wir arbeiten gerade an mehreren Windkraftprojekten. Im Bereich des Siedlungswasserbaus erwartet uns die Einführung einer 4. Reinigungsstufe bei den Kläranlagen. Vor allem Mikroplastik, Medikamentenrückstände und Enzyme sollen aus dem Abwasser entfernt werden. Auch die Hormonbelastung aus dem Abwasser ist letztlich zu hoch.
Für Renaturierungsmaßnahmen an Flüssen und der Landschaft werden wir Lösungen finden müssen. Innovation findet aber nicht nur im Rahmen neuer Aufgabenstellungen sondern auch in Form von neuen Lösungen in der Bauabwicklung statt. Über die grabungsarme Leitungssanierung haben wir ja schon berichtet. Wir bleiben also auch im Tiefbau nicht stehen, sondern entwickeln uns kontinuierlich weiter.
Und was beschäftigt dich außerhalb von Ingenos?
Beruf und Privatleben habe ich immer ganz klar getrennt. Daher bleibe ich auch jetzt dabei. <