Interview mit DI Lisa Hamm

Interview mit

DI Lisa Hamm

 

Ziviltechnikerin für Ökologie/Umweltbiologie

Head of Ökologie und Nachhaltigkeit


Erzähle uns von deinem Einstieg bei der Ingenos ZT GmbH, der Gesamtdienstleisterin rund um das Bauen. Ökologie und Beton könnten durchaus einen moralischen Widerspruch auslösen. War dieser potentielle Konflikt ein Thema in der Zeit deiner Bewerbung bei Ingenos?

Da sollte ich ein wenig ausholen. Nach der Matura habe ich ein BWL-Studium begonnen, obwohl mich das Thema Ökologie schon immer interessiert hat. Ein entsprechendes Studienangebot gab es zu dieser Zeit aber nur in Salzburg oder Wien. Erstmal war das aus familiären Gründen ein No-Go für mich. Nach einem Jahr habe ich dann doch an der Uni Salzburg die Fächer Umweltbiologie und Biodiversität bzw. Ökologie inskribiert und schließlich auch abgeschlossen.

Mitgenommen habe ich viel theoretisches Wissen aber wenig praktische Umsetzungsmöglichkeiten. Daher habe ich mich für ein weiteres Studium an der BOKU Wien mit den Schwerpunkten Wasserbau und Gewässerökologie entschlossen. Um auf den Punkt zu kommen, nein, ich sehe keinen Widerspruch zwischen Baumaßnahmen und Ökologie. Ganz im Gegenteil. Auch wir Menschen sind ja Teil des globalen Ökosystems. Was wir aber dringend brauchen, ist einen Ausgleich zu schaffen zwischen menschlichen Eingriffen und der Natur.

 

Das Organigramm von Ingenos hat vor Kurzem eine Nachschärfung erfahren. Das Thema Ökologie wird statt wie bisher innerhalb des Flussbauteams, künftig in einer eigenen Organisationseinheit bearbeitet. Was bedeutet das für dich? Welche Chancen siehst du darin?

Da es sich dabei um eine echte Querschnittsmaterie handelt, die auch alle anderen Leistungsbereiche von Ingenos betreffen sollte, wird es sicher eine spannende und positiv herausfordernde Aufgabe, welche die Möglichkeit bietet, aktiv Einfluss auf die Gestaltung von Bauprojekten zu nehmen und sicherzustellen, dass ökologische Aspekte von Anfang an mitberücksichtigt werden.

Durch enge Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen und den Austausch von Ideen und Perspektiven können wir gemeinsam innovative und kreative Ansätze zur Lösung ökologischer Herausforderungen entwickeln und die Qualität unserer Projekte verbessern.

Die Nachfrage nach nachhaltigen Bauprojekten wächst. Immer mehr Kunden legen Wert auf umweltfreundliche und nachhaltige Baupraktiken. Ein spezialisiertes Team für Ökologie und Nachhaltigkeit bzw. die Auseinandersetzung mit diesen Themen kann dazu beitragen, neue Geschäftsmöglichkeiten zu erschließen und das Portfolio unseres Büros zu erweitern.

 

Wie bewertest du generell die Rolle der Ökologie in einem Architektur- und Ingenieurbüro?

Durch das wachsende Bewusstsein für Umweltprobleme und nachhaltige Praktiken hat die Bedeutung der Ökologie auch in der Architektur und in der Städteplanung zugenommen. Es geht nun nicht mehr nur um die Schaffung funktionaler sondern auch lebenswerter, nachhaltiger, also zukunftsfähiger Lebensräume.

Grünflächen in urbanen Gebieten, wie Parks und Dachgärten, fördern nicht nur die Lebensqualität der Bewohner, sondern tragen auch zur Verbesserung des Mikroklimas bei und fördern die Biodiversität. Integratives Regenwassermanagement, blau-grüne Infrastrukturen, Schwammstadtprinzip, Drain-Garden, Kreislaufwirtschaft und vieles mehr werden wichtige Aufgabenstellungen.

 

Welche Aufgaben entstehen daraus für den Fachbereich Ökologie und speziell für dich als Fachfrau bei Ingenos?

Derzeit bin ich konkret mit ökologischen Begleitplanungen und in Folge mit ökologischen Bauaufsichten beschäftigt. Dabei geht es zuerst einmal um die Prüfung der Einflüsse des Bauvorhabens auf die Umwelt und das Ökosystem.

Wir entwickeln Maßnahmen zur Verminderung oder wenn möglich gänzlicher Vermeidung negativer Auswirkungen. Im positiven Sinn versuchen wir mit landschaftsgestalterischen Elementen die Biodiversität zu fördern, schaffen naturnahe Außenanlagen, Gärten, Dach- und Fassadenbegrünungen zur Unterstützung lokaler Ökosysteme.

Aber tatsächlich ist der Aufgabenbereich der Ökologie viel umfangreicher. Wir müssen uns mit Herausforderungen wie Ressourcenschonung, Energieeffizienz, Schadstofffreiheit und vielem mehr beschäftigen. Einiges davon wird bereits durch die zahlreichen Zertifizierungsverfahren für Hochbauten abgedeckt. Auch diese sind ein Thema für uns. Dabei hat die Wirksamkeit der Planung und der getroffenen Maßnahmen eben nicht nur bei der Errichtung von Objekten sondern während des gesamten Lebenszyklus Relevanz.

Schon 10 Hurricans in Texas Anfang Juli, 51° Celcius in Kalifornien, Wasser unter in Teilen Chinas, 14 Monate in ununterbrochener Folge Monatshöchstwerte der weltweiten Lufttemperatur. Der vorgegebene Schwellenwert der EU wurde dabei mehrfach überschritten. Und dann die Hochwasserkatastrophe in Ostösterreich Anfang September. Wo ansetzen?

Das ist eine große Frage. Höhere Temperaturen und extremere Wetterereignisse, wie der Starkregen und die Überschwemmungen auch bei uns, verursachen enorme Kosten und gefährden Menschenleben. Diese Ereignisse zeigen, dass allein im Bereich Hochwasserschutz umfangreiche Maßnahmen getroffen werden müssen, um Schäden zu minimieren oder zu verhindern.

Konkret heißt das, möglichst wenige Flächen zu versiegeln. Bodenversiegelung wirkt sich negativ auf den natürlichen Wasserhaushalt aus. Der rasante, oberflächliche Abfluss der Regenwässer wird gesteigert, bei gleichzeitiger Verringerung der Grundwasserspende. Dazu kommt, dass versiegelte Flächen als Standort für Pflanzen ungeeignet sind. Somit fallen diese für die Verdunstung und als Schattenspender aus.

Also – im besten Fall – Stopp dem Flächenverbrauch und der Bodenversiegelung, Bauen im Bestand bzw. Sanierung!

 

Wie könnte eine „Ökologisierung“ eines interdisziplinären Planungsprozesses wie Ingenos ihn betreibt aussehen?

Die Ökologisierung erfordert eine systematische Integration von ökologischen Aspekten in allen Phasen der Planung und Zusammenarbeit.  Entscheidend ist die Einbindung der ökologischen Betrachtung in den Planungsprozess, bereits beim Projekt Kickoff, wenn alle Projektbeteiligten anwesend sind. Nur so können sämtliche Perspektiven und Bedürfnisse von Kunden, Behörden und Natur berücksichtigt werden.

Genau genommen sollten wir schon bei der Standortwahl mitreden. Die ökologische Bewertung des Baugrundstückes und seiner Umgebung ist entscheidend für die Planung. Das umfasst die Analyse des lokalen Ökosystems, der Flora und Fauna sowie der geologischen und hydrologischen Bedingungen.

Die am Beginn eindeutig zu formulierenden ökologischen Ziele müssen über den gesamten Planungsprozess verfolgt und die Einhaltung während der baulichen Umsetzung kontrolliert werden. Selbst nach Fertigstellung des Projektes sollte die Wirksamkeit der Maßnahmen durch regelmäßige Evaluierungen überprüft werden.

 

Gleich vorweg. Ich war mir nicht sicher, ob ich die nächste Frage so stellen soll. Aber angesichts dessen, dass wir mit der Rubrik Ingenos-Backstage einen Blick hinter den Vorhang werfen wollen, habe ich mich entschlossen dabei zu bleiben. Der Frauenanteil unter den Studierenden der Architektur liegt seit Jahren deutlich über 50%, in den Büros in der Regel weit darunter. Ein Grund dafür mag unter anderem die Familienplanung sein. Daraus leitet sich auch der Wunsch vieler gut ausgebildeter Frauen nach Teilzeitbeschäftigung ab. Projektarbeit und Teilzeit passen meist nicht gut zusammen. Wie beurteilst du als Technikerin, Frau und Mutter diesen Konflikt? Gibt es Lösungen?

Es ist so, dass wir Kinder auf die Welt bringen, um so für den Fortbestand der Gesellschaft zu sorgen. Genau da wünsche ich mir auch ein gesellschaftliches Umdenken. Kinder sollten nicht als Privatvergnügen von Frauen oder Familien wahrgenommen werden, sondern als unsere Zukunft. Wenn wir Kinder großziehen, ermöglichen wir eine Fortsetzung des Generationenvertrages.

Daher sollte es auch im Interesse von Unternehmen sein, das Großziehen von Kindern zu unterstützen. Klar, verstehe ich auch die andere Seite. Mir ist durchaus bewusst, dass es ungünstig ist, wenn man ein großes Projekt hat und nicht 24/7 erreichbar bzw. persönlich verfügbar sein kann, weil z.B. eines der Kinder krank ist und sonst im privaten Umfeld keine andere Bezugsperson zur Pflege zur Verfügung steht. Deswegen ist arbeiten im Team das Um und Auf. Wenn zumindest eine weitere Person im Team über die Projektabläufe im Detail informiert ist, können Arbeitspakete, auch wenn das nur zeitweise notwendig sein sollte, leichter übergeben werden. Das gilt natürlich auch dann, wenn ein Teammitglied zum Beispiel aufgrund einer Krankheit länger ausfällt. Flexible Tagesarbeitszeiten und die Option für Homeoffice sind weitere Alternativen. Ich bin sehr froh, dass das in unserem Unternehmen möglich ist. Ein bisschen nach vorne gedacht, könnte auch ein Betriebskindergarten einiges erleichtern.

 

Bleibt außer der Familie und dem Job noch Zeit für private Interessen?

Die Zeit, die bleibt, verbringe ich gerne mit Freunden beim Wandern und seit Kurzem beim Tennis spielen. Gutem Essen bei einem Gläschen Wein bin ich natürlich auch nicht abgeneigt.<


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